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Artenschutz

Waldsterben

Ein Spaziergang im Wald ist für viele von uns Erholung. Das Grün der Bäume und Büsche, die Laute von Vögeln und anderen Tieren wirken sich nachweislich positiv auf unser Wohlbefinden auf. Ein gesunder Wald schützt zudem Wasser, Klima und Artenvielfalt, denn er filtert Luft und speichert CO₂ und Wasser

Damit Wälder all diese Funktionen erfüllen können, müssen sie gesund sein. Doch kahle Flächen, stehende Stämme ohne Blätter oder Nadeln und abgestorbene Baumreihen zeigen vielerorts, dass es unseren Wäldern nicht gut geht. In diesem Beitrag erfährst Du, was Waldsterben bedeutet, was seine Ursachen sind und wie wir den Wald langfristig schützen können.

Was bedeutet Waldsterben?

Der Begriff „Waldsterben“ tauchte zuerst in den 1980er-Jahren in der Öffentlichkeit auf als Reaktion auf massive Waldschäden durch Luftverschmutzung, hervorgerufen insbesondere durch Schwefeldioxid aus Industrieanlagen. Diese Form der „Versauerung“ der Böden wurde durch politische Maßnahmen (Entschwefelung von Kraftwerken, Katalysatoren) weitgehend eingedämmt und die Wälder erholten sich. Doch jetzt ist das Waldsterben zurück, verursacht durch mehrere Faktoren.

 

Warum leiden unsere Wälder? 

Klimastress: Dürre, Hitze, Frost

Wälder sind an bestimmte klimatische Bedingungen angepasst und können über den Jahresverlauf viele verschiedene Witterungen aushalten. Doch die vergangenen Jahre waren geprägt von Extremen. Dürreperioden mit deutlich unterdurchschnittlichem Niederschlag, besonders 2018, 2019 und 2022, wirken bis heute nach, denn sie haben die Böden bis in tiefe Schichten ausgetrocknet.

Bäume verdunsten über ihre Blätter Wasser. Dieser Prozess kühlt sie und hilft beim Nährstofftransport. In Dürrejahren fehlt jedoch das Bodenwasser, um die Verdunstung auszugleichen. Besonders die in Deutschland weit verbreiteten Fichten, die flach wurzeln, haben keine Chance, an tieferliegendes Wasser zu gelangen. Als Folge schließen die Bäume ihre Spaltöffnungen (Stomata), um Wasser zu sparen. Dadurch gerät der gesamte Stoffwechsel unter Stress – die Versorgung mit Zucker, Mineralien und Hormonen wird gestört, und das Wachstum stockt. Langfristig führt das zu sogenannten Trockenschäden: vertrocknete Kronen, dünnere Jahresringe, brüchiges Holz, verminderte Photosyntheseleistung. 

Auch das immer häufiger zu beobachtende, frühere Einsetzen des Frühlings, oft schon im Februar, gefolgt von Spätfrost, führt dazu, dass junge Triebe geschädigt werden.

Der Borkenkäfer

Der Borkenkäfer, genauer gesagt der „Buchdrucker“ („Ips typographus“), ist ein heimisches Insekt, das vor allem Fichten befällt. Unter natürlichen Bedingungen hält sich sein Bestand in Grenzen. Doch durch die Folgen von Klimastress gerät das Gleichgewicht in unseren Wäldern aus der Balance.

Ein trockener Baum kann kaum noch Harz produzieren – das ist aber seine wichtigste Verteidigung gegen den Käfer. Ohne diesen Klebstoff dringt der Käfer ungehindert unter die Rinde. Dort bohrt er ein System aus Brutgängen, in denen er seine Eier ablegt. Die Larven fressen sich durch das nährstoffreiche Bastgewebe – jenes dünne Schichtsystem, das Wasser und Nährstoffe vom Wurzelwerk bis in die Krone transportiert.

Ist dieser Leitungskanal durchtrennt, stirbt der Baum innerhalb weniger Wochen. Gleichzeitig breiten sich die Käfer massenhaft aus: Durch warme Temperaturen sind bis zu vier Generationen pro Jahr möglich, früher waren es meist nur zwei.

 

Pilze und neue Erreger

Neben dem Borkenkäfer spielen auch holzzersetzende Pilze und Bakterien eine Rolle: Besonders in feuchtwarmen Jahren können sie sich explosionsartig vermehren. Pilze wie der Hallimasch oder die Rußrindenkrankheit (bei Ahorn) dringen durch Risse oder Käferbohrungen ins Holz ein und zerstören es von innen. 

Neu sind auch invasive Krankheitserreger, die durch den globalen Handel eingeschleppt werden, etwa der Eschenprachtkäfer, der ganze Bestände gefährdet.

 

Monokulturen in Wäldern

Viele Wälder in Deutschland bestehen zu über 50 % aus schnell wachsenden Fichtenbäumen. Das liegt an früheren Aufforstungen nach dem zweiten Weltkrieg. Doch Fichtenwälder sind anfällig, denn Fichten sind flachwurzelnd, also besonders trockenheitsgefährdet. Sie bilden ein einheitliches Mikroklima, das ideal für bestimmte Schädlinge ist, aber wenig Vielfalt für Tiere und Pflanzen bietet. Selbst viele sogenannte Mischwälder – eine Mischung aus Nadel- und Laubbäumen – sind genetisch oft nicht vielfältig, denn ihre Jungbäume stammen oft aus wenigen, identischen Zuchtlinien. 

Neue Wege im Waldschutz

Waldschutz bedeutet heute mehr als nur neue Bäume zu pflanzen. Es geht darum, unsere Wälder langfristig widerstandsfähiger zu machen. Dazu braucht es gute Planung, wissenschaftliche Erkenntnisse und den Mut, alte Konzepte zu überdenken.

 

Vom Nutzwald zum Klimawald 

In der Vergangenheit wurden viele Wälder in Deutschland vor allem mit wirtschaftlichen Zielen angelegt. Besonders Fichten galten als unkompliziert und ertragreich, vor allem wegen ihres schnellen Wachstums und der geraden Stämme. Doch dieses Konzept stößt zunehmend an seine Grenzen.

Heute verfolgen viele Forstbetriebe das Ziel, klimastabilere Mischwälder aufzubauen. Das bedeutet, dass Baumarten nicht nur anhand ihrer Holzerträge ausgewählt werden, sondern auch danach, wie gut sie mit Hitze, Trockenheit oder Extremwetter umgehen können. Geeignet sind zum Beispiel Stieleiche, Hainbuche, Weißtanne oder auch seltenere Arten wie die Elsbeere oder der Baumhasel. Aber nicht jeder Baum passt zu jedem Standort. Entscheidend ist, dass Bodenbeschaffenheit, Wasserverfügbarkeit, Höhenlage und Mikroklima beachtet werden. Nur wenn diese Faktoren stimmen, können sich neue Wälder langfristig etablieren.

 

Wiederaufforsten mit Vielfalt

Nach den massiven Waldverlusten der letzten Jahre wurde in vielen Regionen mit der Wiederaufforstung begonnen. Dabei sind Mischwälder robuster gegenüber Schädlingen, Wetterextremen und Krankheiten. Genauso wichtig sind die genetische Vielfalt innerhalb einer Art und die Herkunft einer Baumart aus unterschiedlichen Züchtungen. Denn wenn alle Jungbäume aus derselben Zuchtlinie stammen, steigt das Risiko, dass ein einziger Pilz oder ein Insekt ganze Flächen vernichten kann. 

Auch das „Drumherum“ muss stimmen: Junge Bäume brauchen Schutz, zum Beispiel vor Verbiss durch Rehe und Hirsche, aber auch vor Konkurrenz durch Gräser oder Brombeeren. Deshalb werden viele Flächen eingezäunt oder gezielt gepflegt. Zudem ist es sinnvoll, abgestorbene Baumstämme und sogenannte Totholzinseln stehen zu lassen.

Sie fördern die Artenvielfalt, denn in morschem Holz leben unzählige Insekten, Pilze, Moose und Mikroorganismen. Auch sogenannte Lücken im Bestand, in denen bewusst nicht aufgeforstet wird, sind ökologisch wertvoll. Sie lassen Licht auf den Boden, fördern das Wachstum lichtliebender Arten und helfen, dass sich der Wald auch auf natürliche Weise weiterentwickeln kann.

 

Agroforstsysteme

Eine besondere Rolle spielt auch die Landwirtschaft. Immer mehr Betriebe in Deutschland integrieren gezielt Gehölzstrukturen in ihre Felder oder Weiden – sogenannte Agroforstsysteme. Dabei werden zum Beispiel Baumreihen zwischen Ackerflächen oder Hecken entlang von Weiden angelegt.

Diese Strukturen bieten Schutz vor Wind und Erosion, sie verbessern das Mikroklima und erhöhen die Wasserspeicherkapazität im Boden. Gleichzeitig dienen sie als Lebensraum für Vögel, Insekten und andere Tiere und tragen damit zur Artenvielfalt bei.

Ein weiterer Vorteil: In den Bäumen wird langfristig CO₂ gebunden. Das Holz kann später als Bau- oder Energieholz genutzt werden. So entsteht ein Kreislauf, der sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sein kann.

Agroforstsysteme ersetzen keinen Wald, aber sie verbinden landwirtschaftliche Nutzung mit ökologischen Funktionen und können eine wichtige Pufferzone für Waldtiere sein, besonders in Regionen, in denen Wald und Agrarflächen dicht beieinanderliegen.

Neue Technologien

Auch digitale Technologien spielen in der modernen Forstwirtschaft eine immer größere Rolle. Viele Forstbetriebe nutzen heute bereits datenbasierte Anwendungen, um Schäden zu erkennen oder Aufforstung effizienter zu gestalten. Satellitenbilder helfen dabei, Veränderungen in der Baumgesundheit frühzeitig zu erkennen. So lassen sich Schädlingsbefall, Trockenstress oder Sturmschäden auf großer Fläche analysieren, bevor sie für das bloße Auge sichtbar sind.

Sensoren im Boden messen Temperatur, Feuchtigkeit und andere Umweltfaktoren in Echtzeit. Diese Daten unterstützen die Planung, welche Baumarten an welchem Standort gute Chancen haben. Auch Saatdrohnen kommen zum Einsatz: Sie fliegen über schwer zugängliche Flächen und verteilen gezielt Saatgut. Besonders in Hanglagen oder in abgelegenen Gebieten spart das Zeit und Ressourcen.

Mit Hilfe künstlicher Intelligenz lassen sich Klimamodelle berechnen, die zeigen, wie sich Temperatur, Niederschlag und Vegetation in den nächsten Jahrzehnten entwickeln könnten. Diese Modelle helfen, Wälder vorausschauend und zukunftsfähig zu gestalten, anstatt nur auf Schäden zu reagieren

Fazit: Wälder müssen neu gedacht werden

Unsere Wälder sind keine statischen Systeme, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus Boden, Klima, Pflanzen, Pilzen und Tieren. Der Klimawandel stellt dieses Gleichgewicht auf die Probe und viele Wälder sind derzeit weniger gesund, als wir es uns wünschen. Doch gleichzeitig eröffnen sich neue Wege, denn forst- und landwirtschaftliche Betriebe, Wissenschaft und Technik arbeiten an Lösungen, die Resilienz und Vielfalt unserer Wälder fördern.

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