Artenschutz
Die Natur ist unglaublich vielfältig. Eine immense Vielzahl an Lebewesen bevölkert neben uns Menschen die Erde. Doch immer mehr Arten verschwinden aus unseren Landschaften: Viele Insekten, Vögel, Pflanzen und Bodenlebewesen stehen auf der sogenannten „roten Liste“ bedrohter Arten. Ihr Verschwinden gefährdet das Gleichgewicht in Ökosystemen.
Da die Landwirtschaft ein großer Flächennutzer ist, spielen die Landwirtinnen und Landwirte eine zentrale Rolle beim Erhalt und Ausbau des Artenschutzes. Hier erfährst Du, welchen Beitrag die Landwirtschaft für den Artenschutz leistet und zugleich Ernährungssicherheit garantiert.
Was bedeutet Artenschutz eigentlich?
Wenn vom Artenschutz die Rede ist, denken viele zuerst an bedrohte Tierarten. Doch Artenschutz meint den Erhalt der gesamten biologischen Vielfalt, also der Vielzahl an Pflanzen, Tieren, Pilzen und Mikroorganismen in einem Ökosystem. Dazu gehören auch die genetische Vielfalt innerhalb einer Art und die Vielfalt an Lebensräumen, in denen Ökosysteme ihre Strukturen entfalten. Ohne Artenvielfalt verliert die Natur ihre Stabilität und gerät aus dem Gleichgewicht. In Deutschland gelten laut Bundesamt für Naturschutz etwa ein Drittel aller heimischen Tier- und Pflanzenarten als gefährdet. Besonders betroffen sind Arten, die auf offene, strukturreiche Landschaften angewiesen sind, also genau dort leben, wo heute häufig Landwirtschaft betrieben wird.

Gründe für den Artenschwund
Landwirtschaft sichert unsere Ernährung und formt unsere Landschaft. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich viele Lebensräume für Tiere und Pflanzen verändert. Oftmals entstanden große zusammenhängende Felder, die effizient bewirtschaftet werden konnten. Für den Bau von Häusern und Infrastruktur werden bis heute zahlreiche Flächen versiegelt und stehen nicht mehr als natürliche Lebensräume für Tiere und Pflanzen zur Verfügung.
Ein weiterer Grund für den Artenschwund ist der Klimawandel: Steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster und häufigere Wetterextreme bringen viele heimische Arten aus dem Takt. Zugvögel kehren früher zurück, während die Nahrungsgrundlage in Form von Insekten noch fehlt. Wildbienen fliegen bereits, wenn ihre bevorzugten Pflanzen noch nicht blühen. Gleichzeitig breiten sich neue invasive Arten aus, die heimische Arten verdrängen und Lebensräume verändern.
Was Artenschutz auf dem Acker konkret bedeutet
Doch es zeigt sich auch, dass dort, wo naturnahe Strukturen erhalten oder gezielt angelegt wurden, Leben stattfindet und zurückkehrt. Artenschutz bedeutet deshalb heute, nicht nur vorhandene Vielfalt zu schützen, sondern auch vernetzte Lebensräume zu schaffen, die stabil und widerstandsfähig gegenüber Veränderungen sind. Viele Landwirtinnen und Landwirte leisten mit Blühflächen, Brachen, extensiv genutzten Wiesen oder alten Streuobstbeständen relevante und wirksame Beiträge zum Artenschutz. Bei der Umsetzung solcher Maßnahmen gibt es einiges zu beachten.

Blühstreifen
Blühstreifen bestehen meist aus einjährigen oder mehrjährigen Wildblumenmischungen, die gezielt an den Rändern von Äckern eingesät werden. Sie bieten Insekten wie Wildbienen, Schmetterlingen und Käfern Nahrung, Schutz und Brutplätze. Vögel und Kleinsäuger profitieren ebenfalls, zum Beispiel durch Samen, Deckung und erhöhte Insektenvielfalt.
Dabei ist die Zusammensetzung der Saatmischung entscheidend: Reine Bienenmischungen mit wenigen Blütenarten sind weniger effektiv als artenreiche Mischungen aus heimischen Wildpflanzen. Doch solche Mischungen sind oft teurer und erfordern Erfahrung in der Pflege. Denn es gilt, den richtigen Aussaatzeitpunkt, Schnitt und das Belassen von Pflanzenresten im Winter zu beachten.

Wildtierkorridore
Viele Tiere legen weite Strecken zurück, zum Teil täglich, zum Teil im Verlauf ihres Lebens. Doch Straßen, Dörfer, Felder und Zäune schneiden ihre Lebensräume oft in Stücke. Wildtierkorridore sind Verbindungen zwischen Lebensräumen, die die Bewegungen der Tiere unter sicheren Bedingungen ermöglichen.
Ein Korridor kann aus mehreren Elementen bestehen: Feldraine, Hecken, Altgrasstreifen, brachliegende Flächen oder kleine Wäldchen. Entscheidend ist, dass Tiere geschützt und ungestört wandern, ruhen oder Nahrung finden können. Auch Übergänge zwischen Wald und Offenland werden durch Korridore besser nutzbar gemacht. Für viele Tierarten sind solche Korridore für ihre Fortbewegung überlebenswichtig. Gleichzeitig sind sie auch langfristig für den genetischen Austausch innerhalb einer Art wichtig.
In der Praxis erfordert die Schaffung solcher Korridore eine gute Abstimmung zwischen Landnutzung, Wegenetz, Biotopen und regionaler Planung. Landwirtschaft kann dabei eine tragende Rolle spielen, wie durch das gezielte Offenlassen von Ackerrändern, den Erhalt von Zwischenstrukturen (wie Hecken) oder die Rücknahme von Zäunen an ausgewählten Stellen.

Biotopvernetzung
Biotopvernetzung bedeutet, dass naturnahe Lebensräume nicht als isolierte Inseln geschützt oder geschaffen werden, sondern miteinander verbunden werden. In der Landwirtschaft bedeutet das zum Beispiel, dass Hecken, Gräben, Brachen, Feuchtstellen und Blühflächen gezielt mit Blick auf ihre Lage zueinander angelegt werden. Eine Wiese am Waldrand ist für viele Arten wertvoller, wenn daneben ein Heckenstreifen verläuft und in Sichtweite ein Tümpel liegt.
Diese Verbindung von Elementen wird oft in Karten geplant und in Kooperation mit mehreren Betrieben umgesetzt. Je besser die Abstimmung, desto wirksamer das Ergebnis. Auch digitale Tools helfen inzwischen, solche Vernetzungen zu analysieren und gezielt auszubauen. Biotopvernetzung ist also ein Konzept, das auf Zusammenarbeit über Hofgrenzen hinaus setzt.

Streuobstwiesen
Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa. Auf einer einzigen Wiese können Hunderte Arten leben – darunter seltene Vögel wie der Steinkauz, Insekten wie der Schwalbenschwanz oder Fledermäuse, die in alten Baumhöhlen schlafen. Diese Wiesen sind oft viele Jahrzehnte alt und bestehen aus hochstämmigen Obstbäumen, wie Apfel, Birne, Zwetschge, Kirsche, die locker über eine Wiese verteilt stehen. Im Gegensatz zu intensiv bewirtschafteten Obstplantagen werden sie kaum gespritzt, selten gedüngt und oft traditionell bewirtschaftet. Die Kombination aus Bäumen, Wiese, Totholz, Baumhöhlen, und unterschiedlichen Lichtverhältnissen bietet eine Vielzahl an Lebensräumen und Nahrungsquellen.
Trotz extensiver Bewirtschaftung ist die Pflege einer Streuobstwiese aufwändig: Hochstämme müssen geschnitten, Wiesen gemäht oder beweidet und Altbäume erhalten werden. Auch die Ernte der Früchte ist aufwändiger und weniger ergiebig als die von Obstplantagen.
Was jeder zum Artenschutz beitragen kann
Für einen effektiven Artenschutz braucht es Landschaften, in denen ganze Ökosysteme bestehen können. Genau hier kann die Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten. Denn sie gestaltet nicht nur Flächen, sondern prägt auch Übergänge und Verbindungen zwischen Lebensräumen.
Maßnahmen wie Blühstreifen, Wildtierkorridore oder Streuobstwiesen machen den Unterschied nicht allein durch ihre Existenz, sondern durch die Art, wie sie eingebunden und gepflegt werden. Wer die Landschaft kennt und langfristig denkt, kann Vielfalt fördern, auch unter sich wandelnden Bedingungen. Dabei können oft schon scheinbar kleine Maßnahmen eine große Wirkung entfalten.
Die wenigsten von uns haben ein Feld oder eine Wiese, auf der wir aktiv Arten schützen können, aber auch im Kleinen lässt sich Vielfalt fördern. Wenn Du einen Balkon oder Garten hast, kannst Du mit insektenfreundlichen Pflanzen, wilden Ecken und naturnaher Pflege einen Beitrag leisten.
Zudem lohnt es sich, wenn Du beim Einkauf auf regionale Produkte oder Erzeugnisse aus Betrieben achtest, die Naturschutzmaßnahmen aktiv umsetzen. Viele Höfe machen das auf ihren Produktverpackungen transparent. Durch Gespräche und Nachfrage bei regionalen Erzeugern kannst Du Wertschätzung für artenreiche Flächen zeigen.

















