Selbstversorgungs-grad
Wie viel unseres täglichen Essens stammt eigentlich aus Deutschland? Und bei welchen Lebensmitteln sind wir auf Importe angewiesen? Der Selbstversorgungsgrad liefert Antworten auf genau diese Fragen – und zeigt, wie widerstandsfähig unsere Lebensmittelversorgung wirklich ist. In diesem Beitrag erfährst Du, was hinter dem Begriff steckt, wie Deutschland in dieser Frage dasteht und warum Deine Kaufentscheidung dabei eine große Rolle spielt.
Was bedeutet Selbstversorgungsgrad?
Der Selbstversorgungsgrad gibt an, wie viel Prozent eines bestimmten Lebensmittels oder einer Lebensmittelgruppe ein Land selbst produziert – bezogen auf den eigenen Verbrauch. Ein Wert von 100 % bedeutet, dass Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht sind. Liegt der Wert darüber, wird mehr produziert als verbraucht, und es kann exportiert oder eingelagert werden. Liegt er darunter, ist das Land auf Importe angewiesen. Diese Kennzahl ist ein wichtiger Indikator für die Versorgungssicherheit – also dafür, in wieweit ein Land seine Bevölkerung aus eigenen Quellen ernähren kann.

Selbstversorgungsgrad in Deutschland
In Deutschland lag der durchschnittliche Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln in den vergangenen zehn Jahren bei etwa 83 %. Das bedeutet: Ein großer Teil unseres Lebensmittelbedarfs wird durch die heimische Landwirtschaft gedeckt. Je nach Produktgruppe variiert der Selbstversorgungsgrad deutlich:
- Getreide: 104 %
- Kartoffeln: 153 %
- Zucker: 155 %
- Fleisch: 120 %
- Milch: 107 %
- Eier: 73 %
- Honig: 42 %
- Gemüse: 37 %
- Obst: 20 %
Insgesamt zeigt sich somit ein gemischtes Bild: Während Deutschland bei Grundnahrungsmitteln wie Getreide, Kartoffeln, Zucker, Fleisch und Milch mehr produziert als verbraucht, gibt es bei Obst und Gemüse deutliche Versorgungslücken. Gerade bei frischen Lebensmitteln, die täglich auf dem Teller landen, ist die Importabhängigkeit hoch. Nur etwa 20 % des Obstes und rund 37 % des Gemüses stammen aus heimischem Anbau. Selbst bei beliebten heimischen Sorten wie Äpfeln, Erdbeeren, Möhren und Spargel reicht die Produktion nicht aus, um den gesamten Bedarf zu decken.

Was bedeuten diese Überschüsse und Defizite konkret?
Ein Selbstversorgungsgrad über 100 % heißt, dass mehr produziert wird, als im Inland verbraucht wird. Diese Überschüsse fließen größtenteils in den Export. Vor allem Fleisch, Milchprodukte, Getreide und Kartoffelerzeugnisse werden in großen Mengen ins Ausland geliefert – überwiegend in europäische Nachbarländer wie die Niederlande, Frankreich, Italien und Polen. Auch bei Milch und Käse sind die Exportvolumina beachtlich, mit Abnehmern innerhalb und außerhalb der EU.
Gleichzeitig importieren wir große Mengen an Lebensmitteln. Obst und Gemüse in deutschen Supermärkten stammen häufig aus Spanien oder Italien, wo durch andere klimatische Bedingungen eine frühere oder längere Ernte möglich ist. Auch aus den Niederlanden importieren wir viel, da dort der Anbau in Gewächshäusern verbreiteter ist.
Tomaten, Paprika und Salat kommen zum Großteil aus südlichen EU-Staaten. Bei tropischen Früchten wie Bananen, Mangos oder Ananas dominieren Importe aus Südamerika und Afrika. Sonnenblumenöl beziehen wir vor allem aus der Ukraine, Fischprodukte unter anderem aus Norwegen.

Warum ist der Selbstversorgungsgrad gerade jetzt wichtig?
Globale Krisen wie die Corona-Pandemie, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine oder die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels haben gezeigt, wie fragil internationale Lieferketten sein können. Plötzlich leere Supermarktregale, gestiegene Preise für Grundnahrungsmittel oder Engpässe bei Sonnenblumenöl haben vielen Menschen bewusst gemacht, dass eine sichere Lebensmittelversorgung keine Selbstverständlichkeit ist.
Der Selbstversorgungsgrad wird in solchen Situationen zu einer strategischen Größe: Er zeigt, inwieweit ein Land in der Lage ist, sich im Krisenfall selbst zu versorgen – zumindest mit den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Deutschland ist bei Produkten wie Getreide, Kartoffeln oder Milch gut aufgestellt. Bei Obst, Gemüse oder Fisch hingegen besteht eine strukturelle Abhängigkeit von Importen.
Das unterstreicht die Bedeutung einer leistungsfähigen, regional verankerten Landwirtschaft. Sie kann keine vollständige Unabhängigkeit schaffen, aber sie stärkt die Widerstandsfähigkeit unseres Ernährungssystems. Kurze Lieferketten, regionale Erzeugung und Verarbeitung sowie vielfältige Anbausysteme helfen dabei, schneller auf Störungen zu reagieren und die Versorgung vor Ort aufrechtzuerhalten. In einer zunehmend unberechenbaren Welt wird diese Flexibilität immer wichtiger.

Wie Du unsere Selbstversorgung unterstützen kannst
Der Selbstversorgungsgrad zeigt, welcher Anteil unseres Lebensmittelbedarfs aus heimischer Produktion gedeckt werden kann – und wo wir auf Importe angewiesen sind. Mit Deiner Kaufentscheidung kannst Du dazu beitragen, die heimische Landwirtschaft zu stärken. Wenn Du zum Beispiel zu regional erzeugten Lebensmitteln greifst – ob im Supermarkt, im Hofladen oder auf dem Wochenmarkt – unterstützt Du Betriebe vor Ort. Je mehr Nachfrage es für heimische Produkte gibt, desto eher lohnen sich Anbau und Verarbeitung auch bei den Lebensmitteln, bei denen wir bisher stark importabhängig sind – etwa bei Lagergemüse oder Beeren. So kann Stück für Stück ein widerstandsfähigeres Ernährungssystem entstehen.











